Medien|Denken – Andreas Jahn-Sudmann – Das digitale Spiel und die Geste des Dokumentarischen

19.05.2015 | ANDREAS JAHN-SUDMANN (Berlin)

Das digitale Spiel und die Geste des Dokumentarischen


Abstract

Das medientheoretische Problem des Dokumentarischen hat die Game Studies schon beschäftigt, als von documentary games wie JFK Reloaded, Waco Resurrection oder Super Columbine Massacre RPG! noch keine Rede war. Schon 2001, im vermeintlichen Gründungsjahr der Computer Game Studies, interessierte sich ein junger Autor namens Gonzalo Frasca im Wesentlichen für zwei miteinander eng verknüpfte Fragen: 1. Was kennzeichnet den medienspezifischen Wirklichkeitsbezug des digitalen Spiels als Simulation (im Unterschied etwa zu Romanen oder Filmen)? 2. Welches Potential hat das digitale Spiel als wirklichkeitsverändernde, interventionistische Praxis? Beide Perspektiven sind auch in der gegenwärtigen Debatte um sogenannte documentary games, newsgames oder serious games bestimmend, erfordern jedoch, wie der Vortrag zeigen soll, eine kritische Wendung und Neujustierung, die sich an folgender Beobachtung orientiert: Was nicht nur die ästhetische Praxis der dokumentarischen Spiele, sondern gerade auch ihre wissenschaftliche Reflexion auf spezifische Weise zu kennzeichnen scheint, ist der Umstand, dass sie die Autorität dokumentarischer Gesten und Einsätze des digitalen Spiels gemäß einer Logik der Repräsentation eher zu stabilisieren (affirmieren) als zu hinterfragen suchen. Damit steht die Theorie und Praxis des dokumentarischen Spiels (noch) im deutlichen Kontrast zu jener langen Tradition des repräsentationskritischen Denkens im Bereich des (Dokumentar)Films und der Fotografie.


Biographical Note:

Andreas Jahn-Sudmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Er leitete zuletzt die Abteilung Medienwissenschaft des Zentrums für interdisziplinäre Medienwissenschaft (ZiM) an der Universität Göttingen und war parallel am Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur der Universität Regensburg tätig. Während der ersten Förderphase der Forschergruppe »Ästhetik und Praxis populärer Serialität« (2010-2013) war er Bearbeiter des Teilprojektes »Die Dynamik serieller Überbietung«. In der zweiten Förderphase (2013-2016) leitet er gemeinsam mit Shane Denson das Teilprojekt »Digitale Serialität«.


Christian Heinke