Verteiltes Gedächtnis, vernetzte Bildordnung:
Filmische Dokumente der Shoah im Web 2.0

Kontakt

Jun.-Prof. Dr. Simon Rothöhler (Projektleitung)

Elena Meilicke, M.A. (Wissenschaftliche Mitarbeiterin, seit 06/16)

RUB
Institut für Medienwisschaft
Universitätsstr. 150 / GB5 143
44780 Bochum

Projektbeschreibung

Das DFG-Forschungsprojekt untersucht Webstreamingtechnologien als neuartigen Distributions-, Zugriffs- und Archivordnungsmodus des Bewegtbildes. Hierzu wird konkret und exemplarisch nach dem veränderten medientheoretischen Status ursprünglich filmisch-analoger, nun transcodierter Dokumente der Shoah gefragt, die zu algorithmisch prozessierten – genauer: von Codecs, Protokollen, Software-Applikationen performierten – Datensätzen geworden sind.

Zirkulierte dieser Archivbestand – zu dessen Kern neben vereinzelten Amateuraufnahmen vor allem Bildproduktionen alliierter Kameraleute und im weiteren Sinn auch später dokumentierte Zeugnisakte zählen – jahrzehntelang nur als integraler Bestandteil von Filmen, Sendungen, Museums-Dispositiven, erscheint er heute unter den Prämissen einer internetzentrierten Sichtbarkeitsökonomie, in der historische Bilder instantan abrufbar sind, nahezu beliebig komprimiert, kopiert, fragmentiert, appropriiert und verbreitet werden können. Zu untersuchen ist hier sowohl das veränderte Verhältnis zwischen Geschichtsbild und Rezipient als auch die Proximität zu aufmerksamkeitsökonomisch wie epistemisch vormals weit voneinander entfernt situierten Bildrepertoires, auf die nun in simultan aktualisierbaren «windows» der Betrachtung zugegriffen werden kann (etwa über kommerzielle Videosharing-Plattformen, bei denen Aufnahmen befreiter Konzentrationslager nur einen Klick von beliebig anderem «Content» der visuellen Kultur entfernt stehen – oder über institutionell formatierte Bildarchive). Die skizzierten Prozesse transformieren die ästhetische Form, aber auch die erinnerungspolitische Pragmatik dieser prekären Bilder fundamental – sie sollen in dem Projekt begrifflich eingeholt werden, indem allgemeiner nach Medientechniken und Bildlogiken des Streamingverfahrens sowie der dazugehörigen digitalen Ordnung des Wissens gefragt wird.

(Laufzeit bis Herbst 2018)

Veröffentlichungen

  • Das verteilte Bild. Stream | Archiv | Ambiente (Fink 2018)
  • «Virtuelle Archive», in: Stefan Rieger, Dawid Kasprowics (Hg.), Handbuch Virtualität, Springer 2018 (i.E.)
  • «Streaming Outtakes. Medienphilologie des Täterbildes: Zur Webedition von Claude Lanzmanns ‹Shoah›-Material», in: Friedrich Balke, Rupert Garderer (Hg.): Medienphilologie. Konturen eines Paradigmas, Wallstein 2017
  • «Lagerbefreiungsbilder. Materialbefunde», in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Nr. 791, 04/2015

Vorträge | Workshops

Das Projekt wird durch die DFG gefördert