02.05.2017 | MAREN HAFFKE (Ruhr-Universität Bochum / D)
Tasteninstrumente – Musik und das Diskrete bei Friedrich Kittler
Abstract
Zu Friedrich Kittlers reizvollsten argumentativen Strategien gehört es, apollinische Ordnung und dionysische Entgrenzung gleichzeitig für Analysen in Anspruch zu nehmen, die höchste technische Präzision behaupten. Für die Fröhlichkeit der Medienarchäologie als Theorie zwischen Rausch und Regelanalyse bürgt in Kittlers Schriften seit den späten 1970er Jahren immer wieder die Musik. Sie wird zuletzt das zentrale Thema seines unvollendeten Spätwerks einer erotischen Seinsgeschichte von Homer bis Jimi Hendrix. Kittlers Liebe zum Sound privilegiert dabei ein analoges Konzept akustischer Medialität als Grenze sowohl der Literatur wie auch der digitalen Medien. Das Glücksversprechen der Musik ist direkter Kontakt mit einer Ordnung ohne Mangel, konstitutiv unerreichbar für Systeme endlicher Signalzustände. Seine charismatische Konzeption von Klang als ‚reales Rauschen‘ und Rest der Schrift – formuliert aus der Perspektive der Literaturwissenschaft – wird schon früh aufgenommen auch in kritischen Auseinandersetzungen mit der Musikwissenschaft. Sie ist bis heute eine wichtige und viel zitierte Theoriereferenz für die Sound Studies. Angesichts der starken diskursiven Produktivität eines emphatisch analogen Materialitätskonzepts als Zugang zu akustischen Medien stellt sich heute vermehrt die Frage nach dem medialen Status diskret-kombinatorisch operierender musikalischer Verfahren. Eine Untersuchung von Kittlers Zugriff auf die diskrete Klaviertastatur wird in diesem Vortrag als Weg begriffen, die Rolle der digital/analog-Unterscheidung und die Epistemologie der medienarchäologischen Methode in ihrer Rezeption musikwissenschaftlicher Fragestellungen selbst einer Analyse zu unterziehen. Dabei wird eine mögliche Geschichte digitaler musikalischer Strategien vorgeschlagen, die in den Prinzipien von Rhythmizität und Taktilität Potentiale für ein Digitalitätskonzept jenseits eines Schriftbegriffes entdeckt, der bei Kittler zugleich Einsatzpunkt einer auf die Semantik zielenden Hermeneutikkritik ist.
Biographical Note
Maren Haffke, Dr. des., 2004-2010 Studium der Musikwissenschaft, Medienwissenschaft und Psychologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. 2010 Abschluss des Studiums mit einer Magisterarbeit zum Thema Mannigfaltigkeit und Proportion. Musikalische Ordnungsverfahren zwischen Musik, Magie und Mathematik in der Renaissance. Seit 2012 Mitglied der Mercator Forschergruppe Spaces of Anthropological Knowledge der Ruhr-Universität Bochum mit einem Promotionsstipendium von 2012-2016, Dissertationsprojekt betreut von Prof. Dr. Anna Tuschling, Ruhr-Universität Bochum, Zweitbetreuung Prof. Dr. Rolf Großmann, Leuphana Universität Lüneburg. 4/2016-1/2017 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. 8/2016 Abgabe der Dissertation, 12/2016 Verteidigung der Dissertation zum Thema Die Frage der Tasteninstrumente. Musikalische Medien und der symbolische Mangel bei Friedrich Kittler und Wolfgang Scherer – Versuch einer Archäologie der Medienarchäologie. Seit 2/2017 Postdoc am GRK 1787 Das Dokumentarische mit einem Projekt zu Field Recordings.Ausgewählte Publikationen: (2015): „Was weiß Musik über Medien? Medienarchäologie, Akustik und musikalisches Wissen im Anschluss an Friedrich Kittler“. In: Schlüter, Bettina/Volmar, Axel (Hg.). Von akustischen Medien zur auditiven Kultur. Navigationen 2 (2015). Siegen 2015. (2013): „Spielt Charlie Parker in den Wind oder mit ihm? Bemerkungen zu Friedrich Kittlers Verständnis von Jazz und Literatur“. In: Balke, Friedrich/Siegert, Bernhard/Vogl, Joseph (Hg.). Mediengeschichte nach Kittler (Archiv für Mediengeschichte). München 2013.
10.05.2017 | SONJA HEMPEL/MIRJAM PITCHAMOA (Köln / D) // ZUSATZTERMIN
NSU-Komplex auflösen! Konzept und Hintergrund zum Tribunal in Köln
Abstract
Bis heute sind wir weit von der versprochenen „lückenlosen Aufklärung“ im NSU-Komplex entfernt. Initiativen und Einzelpersonen, die mit den Betroffenen der NSU-Mord- und Anschlagserie solidarisch verbunden sind, entwickelten die Idee eines Tribunals, das diese Leerstelle besetzt. Der NSU-Komplex wird dabei als ein Kristallisationspunkt strukturellen Rassismus gedacht. Das Tribunal ist damit ein Ort der gesellschaftlichen Anklage von Rassismus. Die Berichte der Betroffenen und Angehörigen stehen im Mittelpunkt. Ihre Geschichte gilt es zu hören und zu verstehen. Gleichzeitig möchte das Tribunal eine solidarische Gemeinschaft – eine Gemeinschaft der Vielen – zusammenbringen und stärken.
Biographical Note
Sonja Hempel ist ausgebildete Kulturwissenschaftlerin, arbeitet derzeit in der Pressestelle des Museum Ludwig und engagiert sich derzeit im Tribunal NSU-Komplex auflösen. Mirjam Pietchamoa lebt, arbeitet und studiert in Köln, dabei ist es ihr Interesse, ästhetische Praktiken für politische Interventionen nutzbar zu machen und damit unterschiedliche Formen der Kommunikation und der Teilhabe zu ermöglichen.
23.05.2017 | FELIX BRINKER (Freie Universität Berlin / D)
Marvel Superhero Movies, Audience Engagement, and the Politics of 21st Century Blockbuster Seriality
Abstract
Spätestens seit dem Jahr 2000 hat sich der Superhelden-Blockbusterfilm zu einem der dominierenden Genres des amerikanischen Blockbusterkinos entwickelt. Dabei brechen Filmserien über die Abenteuer von Comic-Helden wie Iron Man, Spider-Man oder Captain America nicht nicht nur wiederholt Rekorde an den Kinokassen, sondern stehen zudem im Zentrum eines breitgefächerten globalen Popkulturphänomens mit massenmedialer Omnipräsenz, welches die Aneignungspraktiken engagierter Fankulturen ebenso umfasst wie die (nicht nur wohlgesonnenen) Expertenmeinungen von Filmkritikern und die scheinbar endlose Proliferation von mehr oder weniger eng verwandten Superheldenerzählungen in einer ganzen Reihe von anderen Medien. Der Vortrag betrachtet verschiedene Dimensionen der ästhetischen Praxis gegenwärtiger Superheldenfilme um zu zeigen, dass die zeitgenössische Popularität des Genres letztlich auch einer ganzen Reihe von narrativen, film-ästhetischen und thematischen Elemente und Verfahren fußt, die gleichermaßen einer Politik der Zuschauermobilisierung verpflichtet sind. Superhelden-Blockbusterfilme, so die These, erscheinen damit als exemplarisch für die Verfahren einer digitalen Populärkultur, die erhöhte Ansprüche an den Medienkonsum ihrer Rezipienten macht und versucht, deren kulturelle Produktivität und Teilnahme in sozialen Onlinemedien für die Zwecke der eigenen Sichtbarkeit und Profitabilität einzuspannen. Der Vortrag wird in englischer Sprache gehalten.
Biographical Note
Felix Brinker schloss 2012 sein Studium der Amerikanistik an der Leibniz Universität Hannover ab und ist seit 2013 Doktorand an der Graduiertenschule fur Nordamerikastudien am John F. Kennedy Institut der Freien Universität Berlin. Von 2013-2016 war er ein assoziiertes Mitglied der DFG-Forschergruppe zum Thema „Populare Serialität – Ästhetik und Praxis.“ Seit 2012 hat er mehrere Artikel zur Politik und Logik serieller Formate in amerikanischen Kino und Fernsehen veröffentlicht, zuletzt den Beitrag “Transmedia Storytelling in the ‘Marvel Cinematic Universe’ and the Logics of Convergence-Era Popular Seriality” zur Aufsatzsammlung Make Ours Marvel: Media Convergence and a Comics Universe (Hrsg. Matt Yockey, University of Texas Press, 2017).
04.07.2017 | ESTELLE BLASCHKE (Université de Lausanne / CH)
Bilder als digitales Kapital
Abstract
Die Entwicklung der Informationstechnologien seit den 1990er Jahren und die Verwaltung von visuellen Inhalten in Datenbanken veränderten den Bildmarkt und die Ökonomie der Bilder grundlegend. Der Vortrag handelt von den Funktionsweisen kommerzieller Bild-Banken, der neuen Indexikalität der Fotografie, von der Fantasie der grenzenlosen Verfügbarkeit und den Schwierigkeiten bei der Organisation stetig wachsender Bildersammlungen.
Biographical Note
Estelle Blaschke ist SNF-Postdoktorandin an der Universität Lausanne. Sie studierte Kunstgeschichte, Volkswirtschaftslehre und Anglistik in Regensburg, London und Berlin und promovierte an der EHESS und Paris I Sorbonne. 2009 bis 2011 und 2014 war sie fellow am Max Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Seit 2013 unterrichtet sie Fotografiegeschichte und Theorie an der ECAL (Ecole cantonale d’art de Lausanne). 2016 erschien ihr Buch „Banking on Images. The Bettmann Archive and Corbis” im Verlag Spector Books. Ihr derzeitiges Habilitationsprojekt widmet sich der Geschichte des Mikrofilms.
25.07.2017 | GUIOMAR ROVIRA (Universidad Autónoma Metropolitana-Xochimilco / MX)
Connected Multitudes: Jetztzeit in the on life revolts
Abstract
“On life” is the phenomenon that entangles the dimensions in situ and on line. Contemporary struggles share the ability to create symbiotic spaces in the physical and digital world, connecting the streets to global streams of indignation. These are the core characteristics of a new cycle of revolting that emerges worldwide in the year 2011. Technology becomes a synergy, decisions are taken by moving bodies and digital devices, highlighting its cyborg capacities. The reappropriation of technologies and digital spaces to build emotional states and common notions of empowering calls for a redefinition of technopolitics, a form of collective action not exclusive to mobilized activists or people with political awareness, but one that brings with it the political irruption of the anybody as a qualitatively new spinozian crowd: the connected multitude.
Biographical Note
Guiomar Rovira is lecturer at the Universidad Autónoma Metropolitana, unidad Xochimilco, Mexico City, for the Studies of Social Communication and Political Communication. She wrote her PhD on transnational networks of solidarity with the indigenous rebellion in Chiapas and the cycle of protests against globalization. She recently published Activismo en Red y Multitudes Conectadas (2017).