Abstract
In den 50er-Jahren wurde das alte Mensch-Natur-Verhältnis brüchig. Angesichts des Wissens um die Störanfälligkeit sensibler Ökosysteme galt es daher ein neues Naturbild gesamtgesellschaftlich zu verankern. Federführend war der heute weitgehend in Vergessenheit geratene Schweizer Biologe und Gelehrte Adolf Portmann. Dieser konstatierte in der Nachkriegszeit eine sich deutlicher abzeichnende Naturentfremdung innerhalb der Gesellschaft und exponierte sich wie kein Zweiter mit maßgebenden Stellungnahmen zu bildungspolitischen, ökologischen und erzieherischen Fragen.
Im Zentrum der Dissertation steht ein in der Wissenschaftsgeschichte beispielloses Ringen um das Naturbild einer zukünftigen Gesellschaft, dessen bioethische, ökologische und pädagogische Implikationen angesichts zeitgenössischer Debatten zur Naturentfremdung wieder brisant werden. Das hochgesteckte Ziel Portmanns war es nämlich, die Lebenswissenschaften grundlegend zu reformieren, um so einen neuen Blick auf die Natur und die Vielfalt ihrer Gestalten richten zu können.
Vor dem Hintergrund dieses Unternehmens werden im interdisziplinär ausgerichteten Dissertationsprojekt Schwerpunkte auf Themen wie Biosemiotik, Bioästhetik, Medienpädagogik, Holismus, Wissenschaftspopularisierung, Naturkunde, Morphologie und der Tierphilosophie gelegt, die in dem grenzüberschreitenden Werk Portmanns kulminieren. Dabei gilt es im Rahmen einer diskursanalytischen Untersuchung eine historische Neuorientierung in der Auseinandersetzung mit den Lebenswissenschaften vorzunehmen, deren Ausrichtung angesichts bahnbrechender Erfolge der Molekularbiologie und des Neodarwinismus als zunehmend reduktionistisch empfunden wurde. Mit Rückgriff auf das biophilosophische Werk Portmanns soll nicht nur ein neues Schlaglicht auf die wissenschaftliche Großwetterlage der Nachkriegs-Technokultur geworfen, sondern zugleich eine konstitutive Kritik der Moderne abgeleitet werden, die zu einer neuen Klärung des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur auffordert.
Vita
Martin Noack hat Medienwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum studiert und schloss das Studium im September 2016 mit dem Master ab. Seine Abschlussarbeit, in der er sich mit dem Werk des Kulturphilosophen Leopold Ziegler auseinandersetze, trägt den Titel „Der prälogische Frühmensch – Die medientechnischen Bedingungen für die Rückkehr des magisch-mythischen Denkens in der Zwischenkriegszeit.”