Dr. Hilde Hoffmann, Film- und Medienwissenschaftlerin an der Ruhr-Universität Bochum, beschäftigt sich nicht nur in Forschung und Lehre mit Film. Sie hat lange im Festivalbereich gearbeitet und ist als Jurymitglied tätig.

Wie kommt es zu der großen Vielfalt an Filmfestivals im Ruhrgebiet?
Das Ruhrgebiet selbst ist gekennzeichnet durch eine unfassbare Vielfalt – vor allem dass seine Bevölkerung schon lange sehr international ist. Zudem ist es geprägt durch industrielle Schwerstarbeit, ArbeiterInnenkultur und den Strukturwandel – und damit einhergehend auch durch große Enttäuschungen und Mangel. Weil diese Region nicht so satt ist wie München oder Düsseldorf und nicht so hermetisch in Bezug auf bürgerlicher Kunst und Kultur, bietet sie viele Freiräume. Auch der Wunsch, aus diesem Ort mit all seinen Mängeln etwas machen zu wollen, hat zu einer großen Produktivität und Vielfalt geführt. Um sie zu erhalten, muss es eine langfristige Sicherheit für die großen Festivals geben, und zudem Fördermöglichkeiten für junge Festivals.

Welche Bedeutung haben Filmfestivals für die Entwicklung des Films?
Für die Filmkultur sind sie extrem relevant: Sie sind wichtige Treffpunkte für menschen aus aller Welt. Viele internationale FilmemacherInnen wie Agnès Varda oder Martin Scorsese haben in Oberhausen ihre Erstlinge gezeigt; um die Festivals herum haben sich zudem experimentelle Gruppen gebildet. Nicht umsonst hat das Oberhausener Manifest, das Film- und Förderkultur infrage gestellt hat, im Ruhrgebiet stattgefunden. Festivals sind Orte, wo etwas ausprobiert werden kann, woAustausch mit dem Publikum stattfindet – über kulturelle Grenzen, Altersklassen, Bildungsgruppen hinweg.

Wie prägen die Festivals das Image des Ruhrgebiets?
Unsere Filmfestivals haben es geschafft, das Ruhrgebiet im Hinblick auf Filmkultur zu einer internationalen Adresse zu machen. Delegationen aus vielen Ländern und Kontinenten reisen zu unseren Festivals. Bei einer Gastprofessur im dem USA war ich überrascht, dass das Ruhrgebiet bekannt ist als ein Ort wichtiger ästhetischer, kultureller und politischer Debatten.