Abstract
Längst beschränkt sich Kunstrezeption nicht mehr auf das visuelle Betrachten zweidimensionaler Abbildungen im quasisakralen musealen Raum: Aktuelle Medienkunst an der Schnittfläche von analoger und digitaler Welt duftet und schmeckt, bewegt, berührt und klingt. Indem sich das Dissertationsprojekt der Feststellung widmet, dass zeitgenössische Medienkunst von Multimodalität geprägt ist, widerspricht es zuallererst der verbreiteten Auffassung, dass in virtuellen Räumen Körperlichkeit und die Vielfalt sinnlicher Wahrnehmung an Bedeutung verlören. Vielmehr löst sich Kunst im Rahmen multimodaler Medienkunst vom Objekt, lädt zur sensomotorischen Interaktion ein und konstituiert sich im Umkehrschluss erst mit und am interagierenden Rezipient*innenkörper.
Die Dissertationsschrift geht der Konjunktur der Multimodalität in der Kunst anhand der detaillierten Analyse von vier Fallbeispielen auf den Grund. Es handelt sich um Virtual- oder Augmented Reality Installationen, welche die Teilnehmer*innen in Naturszenarien versetzen. Über den Moment der Kunstrezeption hinausgehend, wird durch Perspektivwechsel und Sinneserweiterung eine Transformation der Wahrnehmung motiviert. Jener sensorische Perspektivwechsel ruft Fragen der Ko-Existenz und des Mit-Seins auf, welche es vor dem Hintergrund trans- und posthumanistischer Theorien zu betrachten und ausgehend von dem medientheoretischen Ansatz der Biofiction zu analysieren gilt. Der Begriff der Synästhesie, welcher dem Dissertationsprojekt initial zugrunde lag, kann vor diesem Hintergrund als ein verteiltes syn-ästhetisches Mit-Empfinden erneut furchtbar gemacht werden.
Multimodale künstlerische Arbeiten werden stets prozessual und individuell erlebt, was dazu führt, dass sie sich ihrer Dokumentation in doppeltem Maße entziehen. Was als Krise des Dokumentarischen in der Kunst bezeichnet werden kann, birgt zugleich Potenziale und resultiert in neuen dokumentarischen Kunstpraktiken. Wie die Projekte, auf deren Analyse die Dissertation beruht, ihre langfristige Sichtbarkeit garantieren und eine entsprechende (wissenschaftliche) Rezeption mitgestalten, ist entsprechend Teil einer Auseinandersetzung mit Multimodalität in zeitgenössischer Medienkunst.
Preiß, Cecilia (2021): Kunst mit allen Sinnen. Multimodalität in zeitgenössischer Medienkunst. Bielefeld: Transcript.
Vita
Cecilia Preiß studierte von 2009 bis 2013 Literatur-Kunst-Medien und Spanische Studien an den Universitäten Konstanz und Venedig. Von 2013 bis 2016 absolvierte sie das Masterstudium Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und war zugleich als Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Medienwissenschaft an der Professur für Mediengeschichte und Kommunikationstheorie tätig. Von 2016 bis 2020 war Cecilia Preiß wissenschaftliche Mitarbeiterin am DFG-Graduiertenkolleg ‚Das Dokumentarische. Exzess und Entzug‘ der Ruhr-Universität Bochum. Nach Abschluss ihrer Promotion ist sie seit September 2020 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Hertz-Labor des ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe.
Kontakt
Dr. des. Cecilia Preiß
Hertz-Labor
ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
Lorenzstr. 19, 76135 Karlsruhe
Tel +49 721 8100-1348, Fax +49 721 8100-1699
E-Mail: cecilia.preiss@zkm.de