Medien|Denken – Çiğdem Inan – Trauer – Affekt – Wissen

04.11.2021|ÇIĞDEN INAN

Trauer – Affekt – Wissen. Theorien flüchtiger Widerstände im Kontext rassistischer Gewalt.


Abstract

Entlang der Begriffe der Enteignung, der Trauer, des Verlusts und der negativen Affektivität, die im dekonstruktiven Feminismus und in den Black Studies in unterschiedlicher Weise verhandelt werden, diskutiert der Vortrag Potenzialitäten von Affekt-Wissen. Er fragt, wie in Zonen gesellschaftlichen Nicht-Seins (Fanon), die von rassistischer Gewalt und ihrer Verleugnung geprägt sind, Gedächtnis, Bindung und Gegenwissen produziert werden können. In diesem Kontext möchte ich erläutern, wie ein der Enteignung abgerungenes Wissen eine paradoxale Grenzfigur bildet, die ein neues Politikverständnis herausfordert. Autor_innen wie Christina Sharpe, Fred Moten und Stefano Harney rekonstruieren, wenn sie von wake work oder undercommons sprechen, flüchtige, trauernde, in dieser Unvollständigkeit und Unsouveränität verweilende Affekt-Wissens-Praktiken. Sie stellen die kanonischen westlichen Begriffe von Politik, Autonomie und Emanzipation infrage und produzieren ein neues Denken widerständiger Sozialität und prekären Wissens, die die Gewaltbeziehungen erschüttern, aus denen sie agieren. Der Vortrag fragt nach der Wirksamkeit eines derart situierten und gleichzeitig repräsentationsflüchtigen Affekt-Wissens, um sie mit den Erfahrungen migrantisch situierten Wissens im Kontext des NSU-Komplexes in einen transversalen Kontakt zu bringen.


Biographical Note

Çiğdem Inan ist Soziologin und lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Affekttheorien, Poststrukturalismus, Kritische Migrationssoziologie, Gender Studies und Postcolonial Studies. Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der PH Freiburg sowie als Lehrbeauftragte an der Merz-Akademie, Stuttgart, der Humboldt-Universität zu Berlin, der EHB-Berlin und der Akademie der bildenden Künste in Wien tätig. Mit dem Dissertationsthema „Das Andere des Affektiven“ promoviert sie an der Universität Hamburg. Als Verlegerin ist sie Teil des Verlagskollektivs b_books (Berlin), in dem sie kürzlich eine Neuauflage von C.L.R. James „Die schwarzen Jakobiner. Toussaint Louverture und die Haitianische Revolution“ mitherausgegeben hat. Zu ihren aktuellen Publikationen gehören „NSU, rassistische Gewalt und affektives Wissen“ ( ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Jg. 1, Heft 2/2021), „C.L.R. James und die flüchtigen Widerstände der Haitianischen Revolution“ (b_books/ Dietz-Berlin 2021), “Affekttheoretische Perspektiven auf Rassismus” (NaDiRa/DeZIM, 2021).


Natascha Frankenberg